»Kann ein Historiker denn Optimist sein?« fragt der Historiker und Balkanologe Viktor Kosik im Jahr 2014 gleichsam sich selbst ebenso wie seine Zuhörer. Und Letztere reagieren so: »Alle verstummten.«
Das Glück, der Zufall oder das Schicksal will es, dass dem jugendlichen Schüler Kosik in einem Moskauer Antiquariat ein Buch des bulgarischen Schriftstellers Ljuben Karawelow in die Hände fällt. Damit ist sein Interesse für den Balkan geweckt. Auf Umwegen gelangt er an die Universität, an die Fakultät für Geschichtswissenschaften, wo er sich zunächst auf Bulgarien, dann auch auf Jugoslawien konzentriert. Sein beruflicher Werdegang bringt etliche, auch längere Aufenthalte in Belgrad und Sofia mit sich; er bereist jedoch auch die übrigen Republiken Jugoslawiens und verarbeitet seine wissenschaftlichen Entdeckungen, Beobachtungen und Eindrücke in einer Fülle von Publikationen. Schließlich nehmen die Russen in der Emigration, sei es in Bulgarien, Jugoslawien bzw. dessen Nachfolgestaaten und auch darüber hinaus einen immer bedeutenderen Platz in seinen Forschungen ein. Materiell immer wieder vor Herausforderungen gestellt, von der frühen Kindheit noch zu Stalinzeiten an bis hin zu der Zeit nach dem Zerfall der Sowjetunion, manövriert er, unterstützt von Familie, etlichen Kollegen und einer beachtlichen Zahl an Freunden im In- und Ausland, sein Leben lang zwischen Träumen und realen Möglichkeiten.
Die Geschichte dieses Lebens, erzählt in bald heiterem, bald melancholischem Plauderton, ist informativ als Zeitzeugnis, bietet Einblicke besonderer Art in die Landeskunde Russlands und des Balkans und ist – ganz einfach lesenswert.
Aus Viktor Kosiks »Notizbuch«, 22. April 2023
В своей жизни я много опаздывал и делал неверный выбор. В университет поступил в 25 лет, когда его другие заканчивали. В аспирантуру был зачислен в 35 лет. Мне надо было идти учиться на искусствоведа, а стал историком. Работал в Музее искусств народов Востока. Изумительное место для меня. Нет. Сбежал. Типа, не могу словами выразить красоту цвета и композиции. Бездарно тратил время на разговоры и идиотские игры. Терял друзей по своей вине. Сейчас время выбора стремительно сужается. Поэтому и нет простора для ошибок. Почти нет...Могу иронично сказать, что ошибки это моя стихия. И все же я счастлив уже потому, что жизнь цветиста и красива... И всегда можно сказать, что нечего нос вешать, земля вертится...
А история это бесконечный путь...
И это радует.
In meinem Leben kam ich oft zu spät und traf die falsche Wahl. An die Universität ging ich mit 25, in einem Alter, in dem sie andere bereits verließen. Meine Aspirantur begann mit 35. Ich hätte Kunst studieren sollen, doch ich wurde Historiker. Ich arbeitete im Museum für Kunst der Völker des Orients. Eine phantastische Stelle für mich. Doch nein. Ich suchte das Weite. Im Sinne von: Ich kann die Schönheit von Farbe und Komposition nicht mit Worten ausdrücken. Unbegabt vergeudete ich Zeit mit Gesprächen und idiotischen Spielereien. Ich verlor Freunde durch meine eigene Schuld. Nun engt sich die Zeit, eine Wahl zu treffen, mit bestürzender Geschwindigkeit ein. Deshalb gibt es auch keinen Raum mehr für Fehler. Nahezu keinen mehr … Ich könnte ironisch sagen, dass Fehler mein Element sind. Und trotz allem bin ich schon darüber froh, dass das Leben bunt und schön ist … Und man kann immer sagen, dass es keinen Grund gibt, den Kopf hängen zu lassen, die Erde dreht sich weiter …
Und die Geschichte ist ein endloser Weg …
Auch das freut einen.
Bibliographische Angaben:
Viktor I. Kosik:
Wozu? Aus Träumen der Erinnerung.
(Aus dem Russischen übersetzt von Erika Beermann; gesetzt, gestaltet und herausgegeben von Bernd E. Scholz.)
Weimar (Lahn): »Bernd E. Scholz« 2023, 248 Seiten (Paperback)
Format: 15 x 22,6 cm, Gewicht: 398 g)
ISBN 978-3-926385-73-4 (Bernd E. Scholz)
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Bestellungen des Buchhandels führt Erika Beermann aus.